LG Köln: Schönheitsoperationen in der Türkei

bunte Spielzeugpferde
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Das Landgericht (LG) Köln hatte Anlass, sich im Rahmen eines Streits zwischen zwei Agenturen, die Schönheitsoperationen in der Türkei vermitteln, mit der Haftung für fremde in der Internetwerbung auseinanderzusetzen. Wurzel des Übels waren unzulässige Vorher-Nachher-Darstellungen von u.a. Haartransplantationen, also plastisch-chirurgische Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit (siehe dazu § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG).

Die Beklagte hatte eine Fernsehreportage mit Vorher-Nachher-Darstellungen auf ihre Website und in ihren Youtube-Kanal gestellt. Zudem hatte sie auf Instagram einen Link zum Instagram-Kanal der in der Türkei ansässigen Partnerklinik gebracht, wo ebenfalls Vorher-Nachher-Vergleiche zu finden waren.

Die Verteidigung lautete:

  • Der TV-Beitrag sei ursprünglich redaktionell gewesen und habe nicht bearbeitet werden dürfen. Die Vorher-Nachher-Sequenz sei außerdem erst kurz vor Schluss gekommen (Minute 46 von 48).
  • Es sei in der Türkei erlaubt, Vorher-Nachher-Bilder zu zeigen. Zudem seien die Bilder bei der Verlinkung vielleicht noch nicht vorhanden gewesen.

Das half der Beklagten nicht.

Das LG Köln zur Verwertung des TV-Beitrags (Hervorhebungen durch den Verfasser):

Insoweit handelt es sich auch um eine Werbung der Beklagten. Unerheblich ist, ob das Video bei Aussendung über den TV-Sender als ein redaktioneller Beitrag anzusehen ist, der deshalb nicht als Werbung zu bezeichnen ist. Indem die Beklagte dieses Video auf ihrer Internetseite eingebunden hat, hat sie dieses Video für ihre eigenen Zwecke als Werbung benutzt. Dabei verstärkte die redaktionelle Gestaltung im Sinne einer neutralen Berichterstattung gerade den Werbeeffekt zugunsten der Beklagten.


Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, sie habe keine Erlaubnis zur Bearbeitung des Videos erhalten, insbesondere also nicht zur Entfernung der Passage mit den Vorher-/Nachher-Bildern. In diesem Fall hätte die Beklagte von der Einbindung des Videos auf ihrer Internetseite absehen können und müssen.

Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der ihr vorgeworfene Rechtsbruch beeinträchtige die Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern nicht spürbar im Sinne von § 3a UWG. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Bilder erst am Ende eines längeren Beitrages, also bei Minute 46 von 48 Minuten eingeblendet werden. Die Veröffentlichung des Videos ist grundsätzlich darauf angelegt, den Interessierten vollständige Kenntnis zu verschaffen. Es mag zwar zutreffen, dass nicht jeder interessierte Verbraucher sich das Video in voller Länge anschauen wird. Dies ist bei interessierten Verbrauchern andererseits aber durchaus zu erwarten, da eine Haartransplantation ein gewichtiger und kostenträchtiger gesundheitlicher Eingriff ist, bei dem anzunehmen ist, dass interessierte Verbraucher eine intensive Recherche betreiben.

Auch die Verlinkung war unzulässig:

Zur Verantwortlichkeit für die Haftung bei einem Link verweisen beide Parteien auf die Entscheidung BGH GRUR 2016, 209 — Haftung für Hyperlink. […] folgt die Verantwortlichkeit der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. […] In einem solchen Fall, der zudem sensible Werbung im Gesundheitsbereich betrifft, sind erhöhte Anforderungen an die Prüfungspflicht zu stellen. […] Soweit die Beklagte in Zweifel stellte, ob die beanstandeten Vorher-/Nachher-Bilder zum Zeitpunkt der Verlinkung bereits vorhanden waren, deutet das darauf hin, dass die Beklagte eine Überprüfung der Seite, auf die verlinkt wurde, gerade nicht vorgenommen hat. Insoweit hat die Klägerin anhand der Daten des Links sowie der Daten der eingestellten Bilder belegt, dass die Bilder zum Zeitpunkt der Verlinkung bereits auf der Seite vorhanden waren.

Hinzu kommt, dass die Bilder jedenfalls zum Zeitpunkt der Abmahnung und auch noch danach vorhanden waren, ohne dass die Beklagte Veranlassung gesehen hat, die Verlinkung zu beenden. […]

Maßgeblich für die Beurteilung ist deutsches Recht, weil die Beklagte sich auf ihrer deutschen lnstagramseite an Verbraucher im Inland wendet und durch den Link die — unterstellt nach türkischem Recht zulässige türkische —Instagramseite der Klinik in ihre Bewerbung eingebunden hat.

LG Köln, Urteil vom 15.04.2021, Az. 81 O 106/20 [PDF]