
Corona. Viele wollen nichts mehr davon hören. Und auch nicht darüber reden. Wenn es nach Verbraucherschutzverbänden ginge, wäre manchen sogar das Wort „Corona“ sogar verboten. Herstellern von Heilmitteln nämlich bei der Laienwerbung. Man kann also darüber streiten, ob ein Produkt beispielsweise „Corona-Prophylaxe“ heißen darf.
Verbietet § 12 Heilmittelwerbegesetz (HWG) gegenüber Verbraucher:innen jegliche Werbung mit Corona-Bezug? In § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG in Verbindung mit Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG findet sich ein Werbeverbot für Krankheiten, die nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) meldepflichtig sind. Verbraucherschützer:innen argumentieren, dass ein Laienwerbeverbot bestehe, seit Corona ins IfSG aufgenommen ist.
Das ist allerdings erst am 23. Mai 2020 passiert. In der IfSG-Fassung vom 20. Juli 2000 war von Corona noch nicht die Rede. Muss man also entgegen dem Wortlaut einer Vorschrift von einer Werbung Abstand nehmen?
Nein, hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.
Der Senat war sehr deutlich darin, dass der Bezug des Gesetzgebers auf das IfSG vom 20. Juli 2000 wörtlich zu verstehen ist. Es wird auf eine konkrete Gesetzesfassung verwiesen (sog. „statischer Verweis“) und es gibt keinen Grund, das in einen „dynamischen Verweis“ auf die jeweils aktuelle Fassung umzudeuten. Leitsatz:
Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG verweist statisch auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20.07.2000.
Es besteht auch kein automatisches Werbeverbot, weil Corona eine „durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektion“ ist, von in besagter Anlage ebenfalls die Rede ist. Denn diese in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG (sonstige „bedrohliche übertragbare Krankheit“) normierte Meldepflicht wird nicht etwa offiziell festgestellt oder so. Sie ist irgendwann da. Wann genau sie besteht, gibt das Gesetz jedoch nicht her.
Also ist unklar, ab wann nach erstmaligem Auftreten einer neuen Erkrankung ein Werbeverbot gelten soll. Im Extremfall würde das Verbot bereits nach der ersten Meldung eines Verdachts durch eine meldepflichtige Person greifen, ohne dass Werbende hiervon überhaupt Kenntnis haben. Offen ist auch, ob das Werbeverbot wieder entfällt, wenn sich ein solcher erster Verdachtsfall nicht bestätigt. Und ob dies auch dann gilt, wenn meldepflichtige Personen trotzdem – schon zur eigenen Absicherung oder für statistische Zwecke – weitere Meldungen erstatten.
Die aus diesem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot folgende Rechtsunsicherheit ist nicht akzeptabel. Daher folgt auch aus der Auffangklausel kein Werbeverbot. Leitsatz:
Die aufgrund […] § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG bestehende Meldepflicht löst nicht automatisch ein […] Werbeverbot aus. […]
OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2023, Az. 4 U 144/22 (Revision beim BGH = Az. I ZR 24/23)
Offenlegung: Ich bin bei dem in dem Verfahren erfolgreichen, international operierenden und traditionsreichen A Familienunternehmen der B Group (Rn. 3) beschäftigt. Das Verfahren betraf ausschließlich die Rechtsfrage über die Zulässigkeit eines Corona-Hinweises. Die Wirkaussage war nicht angegriffen worden.