Eine zentrale Regel für einstweilige Verfügungsverfahren ist: Finger weg von Anträgen auf Fristverlängerung oder Terminsverlegung! Entsprechende Unterfangen der Antragstellerseite stellen regelmäßig die Dringlichkeit in Frage.
In einem unlängst vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschiedenen Fall hat eine Verfügungsklägerin diese Regel fast schon hartnäckig ignoriert.
Chronologie
Ursprünglich sollte am 07.10.2020 verhandelt werden. Die Verfügungsbeklagte war jedoch nicht erschienen. Es hatte sich nicht feststellen lassen, dass die Terminsladung ordnungsgemäß zugestellt worden war. Dann nahm das Unheil seinen Lauf.
Neuer Termin war der 21.10.2020. Er wurde auf Antrag der Verfügungsklägerin kurzfristig auf den 28.10.2020 verlegt, weil der alleinige Sachbearbeiter seit dem 20.10.2020 unter grippeähnlichen Symptomen litt. Auf einen weiteren Antrag vom 26.10.2020 – die Symptome hielten an – erfolgte eine Verlegung auf den 04.11.2020.
Es schlossen sich zwei weitere Verlegungen an: Am 04.11.2020 hatte der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin bereits einen Termin vor dem Amtsgericht Ludwigshafen. Der Wahrnehmung des Ausweichtermins am 11.11.2020 um 14.30 Uhr stand ein Gerichtstermin des Antragstellervertreters am Landgericht (LG) Fulda entgegen. So kam es abermals zu einem Verlegungsantrag der Antragstellerseite. Das entscheidende LG Detmold hatte mittlerweile offenbar – jedenfalls ein klein wenig – von seiner engelsgleichen Geduld eingebüßt und den Termin lediglich um eine Stunde auf 15.30 Uhr zeitlich nach hinten verlegt.
Bis zum Schluss hatte das LG Detmold der Verfügungsklägerin zugute gehalten, dass sie zum ersten, einseitig gebliebenen, Termin ja erschienen sei, und die einstweilige Verfügung dann letztlich erlassen.
Berufungsverfahren: Zu viel des Guten
Das OLG Hamm sah es in der Berufung – wenig überraschend – anders: Jedenfalls die letzten beiden Anträge auf Terminsverlegung waren zu viel des Guten. Man hätte ohne Weiteres einen anderen Anwalt nach Detmold oder Ludwigshafen schicken können.
Leitsätze des Gerichts (marginal redaktionell bearbeitet):
- Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG wird widerlegt, wenn der Antragsteller/Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“ (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 01.07.1999, Az. I ZB 7/99, sowie die Senatsurteile vom 15.03.2011, Az. 4 U 200/10, und vom 21.04.2016, Az. 4 U 44/16).
- Dies kann insbesondere auch während des bereits laufenden Verfahrens durch zögerliche Prozessführung geschehen. Dazu ist eine Gesamtbetrachtung des prozessualen und vorprozessualen Verhaltens des Antragstellers/Verfügungsklägers geboten (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2019, Az. 3 U 105/18).
- Der nicht bereits durch eine Beschlussverfügung gesicherte Antragsteller/Verfügungskläger hat alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen.
- Vom Antragsteller/Verfügungskläger verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung, bspw. Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge, lassen regelmäßig darauf schließen, dass „ihm die Sache nicht so eilig ist“, wobei bereits der Verlegungsantrag als solcher dringlichkeitsschädlich ist (vgl. Senatsurteil vom 15.03.2011, Az. 4 U 200/10; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.10.2017, Az. 2 U 162/16).
OLG Hamm, Urteil vom 20.04.2021, Az. 4 U 14/21