Das Landgericht Düsseldorf hat sich im Januar 2021 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit der Bewerbung eines WLAN-Routers („Surfspaß im ganzen Haus“) befasst und alle angegriffenen Werbeaussagen verboten. Der Beschluss ist aus drei Gründen auch für nicht am Verfahren Beteiligte interessant:
- Es werden aktuelle UWG-Rechtsfragen thematisiert, nämlich der Gerichtsstand bei Online-Rechtsverletzungen und die Anhörung der Gegenseite im einstweiligen Verfügungsverfahren.
- Das Gericht beweist Liebe zum technischen Detail (Nerd-Level).
- Betreiber privater IT-Infrastruktur bekommen einen wertvollen Hinweis.
Rettet den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung!
Das Gericht hielt sich für örtlich zuständig, obwohl ein unlauteres Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien den Anlass für das Verfahren gab und die Antragsgegnerin ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat. Das Landgericht wendet die etablierten Grundsätze zum Begehungsort an und hält zu dem neuen Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG fest, dass der Gesetzgeber damit nur die Fallgruppe der mehr oder weniger automatisierten Verfolgung von Verstößen gegen Informationspflichtverletzungen in den Blick genommen hatte (Rn. 32):
Eine andere Sichtweise wäre nicht nur unzweckmäßig und unpraktikabel, sondern liefe auf die mit der abschließenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs gerade nicht gewollte weitgehende Abschaffung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung hinaus.
Anhörungsgrundsatz in Zeiten der Waffengleichheit
Das Gericht hat die Antragsgegnerin mit Bewusstsein für die mittlerweile vielfach beachteten Grundsätzen zur Wahrung der Waffengleichheit – wie „früher“ – nicht angehört (Rn. 44):
Die Antragsgegnerin ist hinreichend in das Verfahren einbezogen worden, nachdem ihr die Antragstellerin mit ihrer Abmahnung im Vorfeld […] Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, die erhaltene Entgegnung mit dem Verfügungsantrag vollständig vorgelegt worden ist und die den Erlass der einstweiligen Verfügung rechtfertigenden, in der Antragsschrift vorgetragenen Tatsachen und erörterten rechtlichen Gesichtspunkte mit den in der Abmahnung erhobenen Beanstandungen inhaltlich deckungsgleich sind […].
You had me at Geo-Targeting
Ein zur Veranschaulichung der Gerichtsstandsüberlegungen gebildetes Fallbeispiel ist nicht nur dramaturgisch spannend, es dürfte so manches Nerdherz höher schlagen lassen (Rn. 33):
Eine solche […] Unterscheidung hätte zur Konsequenz, dass gegen einen Mitbewerber verunglimpfenden oder Kunden über Produkteigenschaften irreführenden Werbespot für Bergschuhe bundesweit vorgegangen werden könnte, wenn er als Kinowerbung verbreitet wird, während gegen denselben Spot eines in Hamburg ansässigen Unternehmers, der den Spot über das Internet mittels Geo-Targeting ausschließlich in Bayern ausspielen lässt um speziell dort ansässige Verbraucher zu erreichen, nur in Hamburg vorgegangen werden könnte. Ferner müsste ein in Bayern ansässiger Mitbewerber, der zunächst nur die Kinowerbung bemerkt hat und dagegen in München vorgegangen ist, ein weiteres Verfahren in Hamburg anstrengen, wenn er später im Internet auf eine in Einzelheiten abweichende Version des Werbespots stößt.
Pretty Fly for a Wi-Fi
Wer einmal versucht hat, ein Einfamilienhaus etagenübergreifend sowie in allen Räumen mit Streaming-tauglichem WLAN zu versorgen, dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit die Erfahrung gemacht haben, dass es mit einem noch so guten Router alleine nicht getan ist. Das weiß auch das Landgericht Düsseldorf und gibt den Lesern des Beschlusses den wertvollen Tipp, sich mit WLAN-Repeatern einzudecken.
Bemerkenswert ist auch der Verteidigungsversuch, dass nur besonders Privilegierte aufgrund ihrer opulenten Wohnverhältnisse von schlechter WLAN-Reichweite betroffen sein sollen.
Rn 41:
Alle angegriffenen Werbemittel sind […] irreführend, weil sie den unzutreffenden Eindruck vermitteln, (alleine) mit dem Router könne in jedem Haus ein dieses insgesamt abdeckendes WLAN-Netz aufgebaut werden. Das trifft […] nicht zu, weil in vielen Wohnsituationen für eine flächendeckende Versorgung der zusätzliche Einsatz von Repeatern erforderlich ist. Dabei handelt es sich nicht lediglich um atypische, nur bei besonders privilegierten Verbrauchern vorzufindende und für das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers unerhebliche Gestaltungen, sondern um Wohnverhältnisse, wie sie namentlich in Reihenhaussiedlungen häufiger anzutreffen sind.
LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2021, Az. 38 O 3/21
Rechtsprechung zum fliegenden Gerichtsstand nach der 2020er UWG-Reform
- LG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2021, Az. 38 O 3/21
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021, Az. I-20 W 11/21
- LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2021, Az. 38 O 19/21
- LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.05.2021, Az. 3-06 O 14/21
- LG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.2021, Az. 38 O 3/21