Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte mal wieder Anlass, sich mit „hanseatischen Verfahrensgrundsätzen“ zu befassen. In Rn. 33 lässt sich beobachten, wie Verfassungsrichtern in den Grenzen des richterlichen Mäßigungsgebots der Kragen platzt (Hervorhebungen selbst gemacht):
Der wiederholte Verstoß des Pressesenats des Oberlandesgerichts gegen das Gesetz der Waffengleichheit bei einstweiligen Anordnungen gibt Anlass, auf die rechtliche Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen […]. Bei zukünftigen Verstößen gegen die Waffengleichheit durch den Senat wird die Kammer ein Feststellungsinteresse für eine Verfassungsbeschwerde oder einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG stets als gegeben ansehen.
Was war geschehen? Rn. 31 klärt auf:
Hier waren mehrere gerichtliche Hinweise an die Antragstellerin ergangen, infolge derer sie ihre Anträge umgestellt, ergänzt und teilweise zurückgenommen hatte. Während die Antragstellerin somit mehrfach und flexibel nachsteuern konnte, um ein für sie positives Ergebnis des Verfahrens zu erreichen, hatte die Beschwerdeführerin keinerlei Möglichkeit, auf die veränderte Sach- und Streitlage zu reagieren. Sie wusste bis zur Zustellung der Entscheidung des Pressesenats nicht, dass gegen sie ein Verfahren geführt wurde. Dies verletzt die prozessuale Waffengleichheit.
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 01.12.2021, Az. 1 BvR 2708/19